„Familienfreundlicher Arbeitgeber“, „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, etc: Solche Slogans finden sich in vielen Stellenausschreibungen und auf vielen Karriereseiten. Doch wie so oft gilt: Nicht überall, wo Familienfreundlichkeit draufsteht, ist auch echte Unterstützung für Eltern drin. Familienfreundliche Arbeitgeber erkennen kann man jedoch, indem man auf bestimmte Faktoren und Anzeichen achtet.
Familienfreundlicher Arbeitgeber oder Mogelpackung?
Beispiele dafür, dass Familienfreundlichkeit nicht wesentlich mehr ist als ein Aushängeschild fürs Marketing, gibt es leider immer wieder: Ein Unternehmen wirbt mit „flexiblen Arbeitszeiten“, meint damit aber lediglich Gleitzeit zwischen 8:00 und 9:00 Uhr – mit Anwesenheitspflicht bis 17:00 Uhr. Oder es gibt zwar einen Eltern-Kind-Raum, der aber im Keller liegt, selten nutzbar ist und eher als Aushängeschild dient. Auch die Homeoffice-Möglichkeit hat sich schon mal in der Praxis als Ausnahmefall entpuppt, der erst nach zähem Ringen genehmigt wurde.
Für Bewerberinnen und Bewerber mit Familie oder zukünftigem Kinderwunsch ist es daher wichtig, hinter die Kulissen zu blicken. Doch woran lässt sich echte Familienfreundlichkeit erkennen?
5 Faktoren, die für echte Familienfreundlichkeit sprechen
Echte Familienfreundlichkeit zeigt sich nicht nur in wohlklingenden Phrasen, sondern in konkreten, gelebten Maßnahmen. Einige wesentliche Maßnahmen sind folgende:
1. Flexible Arbeitszeitmodelle
Dazu zählen nicht nur Gleitzeit, eine Vielfalt an Optionen, um den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden. Darunter auch echte Vertrauensarbeitszeit, individuelle Teilzeitmodelle, Arbeit nach Vereinbarung und vor allem: Flexibilität bei kurzfristigen familiären Herausforderungen.
Vertrauensarbeitszeit zeichnet sich beispielsweise dadurch aus, dass Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst bestimmen können, solange sie die vereinbarten Ziele und Aufgaben erfüllen. Ein weiteres Beispiel sind Jahresarbeitszeitkonten, die es ermöglichen, Mehrarbeit in Zeiten hoher Auslastung anzusammeln und in ruhigeren Phasen abzubauen.
Auch Teilzeitmodelle, bei denen die wöchentliche Arbeitszeit reduziert wird, oder Homeoffice-Regelungen, die es den Mitarbeitenden erlauben, von zu Hause aus zu arbeiten, sind wichtige Bestandteile flexibler Arbeitszeitmodelle.
Solche Maßnahmen tragen nicht nur zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei, sondern fördern auch die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden. Ein familienfreundlicher Arbeitgeber signalisiert durch diese Flexibilität, dass er das Bedürfnis seiner Mitarbeitenden nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance sowie die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst nimmt und unterstützt.
2. Bezahlte Kinderkrankentage
Ein familienfreundlicher Arbeitgeber geht oft über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und zahlt zusätzliche Kinderkrankentage oder unterstützt bei der Organisation von Notbetreuung.
3. Elternzeit ohne Karrierenachteil
Wer Elternzeit nimmt, soll nicht „aus dem Spiel“ sein. Arbeitgeber zeigen Familienfreundlichkeit, wenn sie den Kontakt zu Mitarbeitenden während der Elternzeit aktiv halten und eine strukturierte Rückkehr ermöglichen. Echte Familienfreundlichkeit zeigt sich aber auch dadurch, dass Eltern auch nach ihrem Wiedereinstieg nicht in ihrer Position „feststecken“, sondern weiterhin in ihren Karrierezielen gefördert werden.
Dies kann durch gezielte Programme zur Wiedereingliederung, Mentoring und individuelle Karrieremodelle unterstützt werden.
4. Job-Sharing und Führung in Teilzeit
Ein modernes Arbeitsumfeld erlaubt es nicht nur, in Teilzeit zu arbeiten, sondern auch Führungspositionen in solchen Modellen zu gestalten – oft ein echtes Zeichen für Gleichstellung und Familienorientierung.
Führung in Teilzeit fällt nicht vom Himmel, sondern wird meist durch begleitende Maßnahmen vorbereitet und gefördert. Daher können Bewerber beispielsweise auf folgendes achten:
- Gibt es Netzwerke für Eltern im Unternehmen?
- Ist das Unternehmen offen für flexible Karrierewege, die individuelle Lebenssituationen berücksichtigen?
5. Kinderbetreuungsangebote
Ob Betriebskindergarten, Zuschüsse zur externen Betreuung oder Kooperationen mit lokalen Einrichtungen – solche Angebote zeigen: Diese Arbeitgeber nehmen Familienfreundlichkeit ernst.
Familienfreundliche Arbeitgeber erkennen: Zwischen den Zeilen lesen
Nicht alle familienfreundlichen Maßnahmen stehen auf der Karriereseite oder werden anderweitig prominent dargestellt. Viele Hinweise verstecken sich in Strukturen, Kennzahlen und Erfahrungsberichten. Diese subtilen Hinweise sind oft besonders aufschlussreich:
- Anteil weiblicher Führungskräfte: Ein hoher Frauenanteil in Führungspositionen – insbesondere in Teilzeit – deutet darauf hin, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie strukturell unterstützt wird.
- Talentförderung für Eltern: Gibt es Programme zur Weiterentwicklung, die auch für Teilzeitkräfte oder während der Elternzeit zugänglich sind? Das zeigt, dass das Unternehmen Eltern nicht „parkt“, sondern sie aktiv fördert.
- Bewertungen auf Plattformen wie Kununu: Anonyme Erfahrungsberichte ehemaliger und aktueller Mitarbeitender geben oft realistische Einblicke in den Alltag. Besonders interessant sind auch hier Kommentare zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Umgang mit Elternzeit oder Ausfall aufgrund von kranken Kindern sowie Flexibilität bei Notfällen.
- Maßnahmen zur Diversität und Inklusion: Unternehmen, die Vielfalt leben, integrieren in der Regel auch Familienmodelle besser – beispielsweise durch LGBTQ+-freundliche Elternzeitregelungen oder die Unterstützung von Alleinerziehenden.
Zwischen Haltung und Realität: Die Unternehmenskultur als Gradmesser
Der vielleicht wichtigste – und zugleich am schwersten fassbare – Faktor ist die gelebte Unternehmenskultur. Denn selbst die besten Programme nützen wenig, wenn Vorgesetzte mit missbilligendem Blick reagieren, wenn ein Vater um 16 Uhr zum Kita-Abholen geht.
Laut einer Studie vom workfamiliy-Institut ist ein entscheidendes Kriterium für Familienfreundlichkeit, ob Eltern in ihrer Rolle als Mitarbeitende ernst genommen, wertgeschätzt und integriert werden. Dabei spielen folgende Punkte eine Rolle:
- Führungskräfte als Vorbilder: Leben Vorgesetzte selbst Vereinbarkeit – z. B. durch Teilzeit, Homeoffice oder aktives Vatersein – fördert das eine offene Unternehmenskultur.
- Gesprächsangebote und transparente Kommunikation: Gibt es regelmäßige, wertschätzende Gespräche über die individuelle Vereinbarkeitssituation?
- Teamintegration nach Elternzeit: Bietet der Arbeitgeber eine professionelle Begleitung bei der Rückkehr, mit Schulungen, Patensystem oder flexiblen Wiedereinstiegslösungen?
- Wertschätzung statt Misstrauen: Eltern brauchen Flexibilität – und Vertrauen. Unternehmen, die Eltern mit Offenheit begegnen statt mit Vorbehalten, gewinnen motivierte und loyale Mitarbeitende.
- Anerkennung der Elternkompetenzen: Eltern erlernen im Zusammenleben und in der Erziehung ihrer Kinder wichtige Soft Skills, die auch für den Arbeitgeber und den Berufsalltag wichtig sind. Werden diese aktiv integriert und wertgeschätzt, gibt es also einen Spillover-Effekt, ist das für beide Seiten ein Gewinn und eine Anerkennung für die Eltern.
Wie können Bewerbende das herausfinden? Am besten: Nachfragen! In Bewerbungsgesprächen gezielt Fragen stellen wie:
- Wie viele Mitarbeitende sind derzeit in Elternzeit?
- Gibt es Führungskräfte in Teilzeit?
- Wie sieht ein typischer Wiedereinstieg nach der Elternzeit aus?
- Welche konkreten Maßnahmen zur Vereinbarkeit wurden in letzter Zeit umgesetzt?
Auch das Verhalten im Bewerbungsprozess selbst gibt Aufschluss. Zeigt der Arbeitgeber Verständnis für Kita-Zeiten? Gibt es Angebote für digitale Interviews? Oder wirkt Flexibilität eher wie ein Hindernis?
Eine Zusammenstellung möglicher Fragen findest du in folgender Checkliste:

Orientierungshilfe: Siegel für familienfreundliche Arbeitgeber
Diese letztgenannten Faktoren sind mitunter schwierig für Außenstehende zu identifizieren. Um das Thema Familienfreundlichkeit transparenter zu machen, wurden deshalb verschiedene Zertifikate und Auszeichnungen eingeführt. Diese können Bewerbern eine erste Orientierung bieten:
- „audit berufundfamilie“: Das bekannteste Siegel im deutschsprachigen Raum, vergeben durch die gemeinnützige Hertie-Stiftung. Es prüft strategisch, wie nachhaltig familienfreundliche Maßnahmen verankert sind.
- „Great Place to Work – Beste Arbeitgeber mit Fokus auf Vereinbarkeit“: Basierend auf Mitarbeiterbefragungen werden Unternehmen ausgezeichnet, die Familienfreundlichkeit wirklich leben.
- Lokale Auszeichnungen wie „Familienfreundliches Unternehmen im Kreis XY“ sind ebenfalls hilfreiche Hinweise – wenn auch unterschiedlich streng in der Prüfung.
Wichtig: Ein Siegel ist kein Garant, aber ein Hinweis. Besonders aussagekräftig sind solche Zertifizierungen, wenn sie regelmäßig erneuert und auf der Unternehmensseite transparent erläutert werden.
Familienfreundliche Arbeitgeber erkennen – mit klarem Blick und klugen Fragen
Ein familienfreundlicher Arbeitgeber erkennt man nicht am schönsten Imagefilm, sondern an Taten, Strukturen – und dem Umgang mit Menschen. Wer als Bewerber genau hinsieht, hinterfragt und sich informiert, erhöht die Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, an dem Familie und Beruf nicht im Widerspruch stehen, sondern sich gegenseitig stärken. Erste Anhaltspunkte können Zertifikate bieten genauso wie Informationen auf den Arbeitgeber-Websites. Es lohnt sich jedoch, genauer hinzuschauen und auch gezielt nachzufragen.
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Quellen und weiterführende Links:
Junker, Nina M., Lask, Joachim E.: „Familienorientierte Unternehmenskultur
fördert Integration von Elternkompetenzen“, aus Bericht 7/10 zur Studie „Elternkompetenzen & Arbeit“ vom 29.05.2020, https://workfamily-institut.de/wp-content/uploads/2023/04/Bericht_7_end.pdf
Hammermann, Andrea, Stettes, Oliver: „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023“, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.) Broschüre vom 01.09.2023, https://www.bmfsfj.de/resource/blob/229850/4400cadff71b0064565780e63c61d491/unternehmsmonitor-familienfreundlichkeit-2023-data.pdf
„Familienfreundliche Maßnahmen in Unternehmen“, https://www.haufe.de/personal/hr-management/konkrete-massnahmen-fuer-familienfreundliche-unternehmen_80_147926.html, vom 21.09.2023