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Stellenanzeigen für Frauen texten: genderneutral vs. zielgruppenspezifisch?

Stellenanzeigen für Frauen texten - gendern ja oder nein?

Genderneutrale Sprache in Stellenanzeigen soll Studien zufolge erreichen, dass sich die Anzahl an weiblichen Bewerbern erhöht. Viele Ratgeber blasen in dasselbe Horn, es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die die Studien hinsichtlich Methodik und Repräsentativität hinterfragen – und damit auch die heute angenommene Allgemeingültigkeit der Ergebnisse. Was stimmt denn nun? Was macht sprachlich Sinn, wenn man mit Stellenausschreibungen Frauen erreichen möchte? Eine Einschätzung.

Genderneutrale Sprache und der Einsatz von männlich konnotierten Wörtern

Wollen Unternehmen ihre Stellenanzeigen so texten, dass sie besonders vermehrt Bewerbungen von Frauen erhalten, gibt es ein modernes Patentrezept: Man überprüfe die Stellenanzeigen daraufhin, ob sie genderneutral geschrieben ist. Und zusätzlich überprüfe man bitte, ob die Stellenanzeigen mehr männlich-kodierte Formulierungen enthalten als weiblich-kodierte. Die Theorie dahinter: Frauen seien häufig von zu männlich formulierten Stellenanzeigen abgeschreckt und würden sich daher gar nicht erst bewerben. Eine sprachliche Überarbeitung muss also her.

Kritische Stimmen dazu sagen jedoch, dass die Studien keine Allgemeingültigkeit haben können, da sie keine repräsentativen Stichproben als Grundlage haben. Die Studien weisen zum Teil selbst daraufhin, dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres übertragbar sind.

Was also nun tun? Das KOFA hat bereits im Jahr 2019 in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsakteuern und dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf einen Leitfaden entwickelt, der aufzeigt, worauf in Stellenanzeigen geachtet werden kann.

KOFA: 5 Empfehlungen für die konkrete Textgestaltung in Stellenanzeigen für Frauen

  1. Geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung wählen oder beide Varianten nennen: also nicht „Geschäftsführer“, sondern „Geschäftsführerin/Geschäftsführer“ oder auch „Geschäftsführer*in“
  2. Das Anforderungsprofil genau prüfen: Während Männer bei diesem Teil der Stellenausschreibung wohl deutlich selbstbewusster sind und sich auch bewerben, wenn ihr Profil nicht zu 100 % passt, nehmen Frauen es hier sehr genau. Zum einem sollten Unternehmen deshalb die harten von den weichen Anforderungen trennen: Sie sollten deutlich machen, welche Anforderungen nötig sind und welche wünschenswert, aber keine zwingende Voraussetzung. Zudem kommen hier die unbewussten Prozesse der Informationsverarbeitung ins Spiel: Frauen seien von Wörtern wie „ehrgeizig“, „durchsetzungsstark“ oder „analytisch“ häufig abgeschreckt. Besser sei es daher, diese männlich-konnotierten Begriffe durch „weiblichere“ Synonyme zu ersetzen oder Eigenschaften in Handlungen umzuformen. Aus „ehrgeizig“ wird dann beispielsweise „Ziele klar im Blick haben“ und aus „analytisch“ wird „die Fähigkeit, Probleme zu erkennen und zu lösen“. Also mehr aufgaben- und qualifikationsorientiert schreiben als Eigenschaften hervorzuheben.
  3. Einen Gehaltsrahmen für die Stelle vorgeben: Viele Frauen sind spätestens bei der Aufforderung „mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung“ verunsichert. Sie wissen nicht, wie viel Geld sie fordern können. Unternehmen können dem gegensteuern, indem sie einen Gehaltsrahmen in der Ausschreibung vorgeben, in dem immer noch Verhandlung möglich ist.
  4. Bilder mit Frauen: Kann man in der Stellenanzeige Bilder unterbringen und will insbesondere Frauen ansprechen, dann macht es Sinn, Bilder zu nehmen, auf denen Frauen in Aktion zu sehen sind.
  5. Die Unternehmensbeschreibung: Frauen interessieren sich besonders für die Unternehmenskultur, die Arbeitszeiten und die Weiterbildungsmöglichkeiten. Deshalb ist es wichtig, auch in diesen Teil der Stellenanzeige Mühe zu investieren. Unternehmen können hier ihre Employer Brand kommunizieren, aber ebenso allgemein ihre Werte wie Chancengleichheit etc. unterbringen.

Stellenanzeigen für Frauen: Ist das nun der Weisheit letzter Schluss?

Meine Antwort lautet ganz klar: Nein. Viel wichtiger noch als männlich- und weiblich-konnotierte Begrifflichkeiten ist, dass das Unternehmen zuerst intern spezifiziert, welche Art Mensch für diesen Job es haben will. Es geht ganz allgemein darum, bewusster mit Sprache umzugehen. Schwerpunkte und männlich-konnotierte Begriffe dort zu setzen, wo sie wirklich genau so gebraucht werden. Denn auch Frauen können sich mit Wörtern wie analytisch oder durchsetzungsfähig identifizieren, wie auch Männer sich mit eher weiblich-konnotierten Begriffen identifizieren können.

Es geht darum, die Qualität der Stellenausschreibungen insgesamt zu verbessern und noch spezifischer auf die Zielgruppe zuzuschneiden. Weiß man genau, welche Qualifikation, welche Erfahrung und welche Soft Skills man für diese Stelle braucht, kann man die Ausschreibung an gewissen Punkten verschlanken, an anderer Stelle dafür Informationen hinzufügen. So, dass am Ende alle Jobsuchenden sich angesprochen fühlen, die die Qualifikation mitbringen. Unabhängig vom Geschlecht. Um das zu erreichen, ist eine genderneutrale Ansprache sicherlich nicht verkehrt.

Welche Unternehmen sollten die genderneutrale Sprache besonders beherzigen?

Es gibt zwei Fälle, bei denen ich jedoch eine verstärkte Notwendigkeit sehe, die Stellenanzeigen im Hinblick auf männlich- und weiblich-konnotierte Begrifflichen sowie allgemein auf genderneutrale Sprache hin zu optimieren. Das ist zum einen der Fall bei Unternehmen, die in klassischerweise männer-dominierten Branchen arbeiten. Wir wissen heute, dass der Fachkräftemangel dort am härtesten zuschlägt, wo ein Geschlecht die Mitarbeiterschaft stark dominiert. Betroffene Unternehmen müssen daher verstärkte Bemühungen unternehmen, auch das andere Geschlecht anzusprechen. Mit passgenau getexteten Stellenausschreibungen, welche unbewusste Hürden für die Frauen abbauen, ist ein Schritt in die richtige Richtung getan.

Der andere Fall, in dem die genderneutrale oder eher „weibliche“ Formulierung von Ausschreibungen besonders wichtig ist, ist das Ausbildungsmarketing. Und dies wiederum betrifft so gut wie jedes Unternehmen. Warum das Ausbildungsmarketing? Studien zufolge, wie beispielsweise eine Studie von Dries Vervecken und Bettina Hannover aus dem Jahr 2015, können Mädchen sich eher vorstellen, einen sonst eher männlich wahrgenommenen Beruf zu ergreifen, wenn in der Berufsbezeichnung gegendert wird.

Der Übergang von Schule zum Beruf, also auch die Entscheidung junger Menschen, welchen Beruf sie ergreifen wollen, hängt mitunter also auch mit Sprache zusammen. Und mit den Bildern und Möglichkeiten, die diese Sprache ihnen einpflanzt und eröffnet. Im Ausbildungsmarketing geht es also darum, mit gendersensibler Sprache Mädchen und junge Frauen für Ausbildungen oder (duale) Studiengänge zu gewinnen, die sie sonst vielleicht gar nicht in Betracht ziehen würden. Dabei geht es zum einen um die Stellenbezeichnung, aber auch um die inhaltliche Beschreibung der Ausbildung/des Studiums, und welche Skills dort entwickelt werden können.

3 Wege, Frauen und Menschen mit familiärer Verantwortung anzusprechen

Für Stellenanzeigen, die für Menschen getextet werden, die bereits im Berufsleben stehen und die Ausbildungszeit bereits hinter sich haben, ergeben sich meiner Meinung und Erkenntnis nach insbesondere drei Wege, über die Frauen vermehrt angesprochen werden können:

  1. das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung verschlanken und nötige von wünschenswerten Anforderungen trennen sowie kenntlich machen (siehe oben)
  2. Initiativen des Unternehmens, die die Vereineinbarkeit von Familie und Beruf fördern, konkret benennen. Beispiel: Kinderbetreuung im Unternehmen
  3. Stellen in Teilzeit und für Jobsharing ausschreiben: Die Zurich Versicherung in England macht es vor. In einem Experiment in Zusammenarbeit mit Verhaltensforschern begann das Unternehmen 2019, alle Jobs mit dem Zusatz „offen für Teilzeit, Vollzeit oder Jobsharing“ auszuschreiben (zusätzlich waren alle Ausschreibungen genderneutral formuliert). Die Ergebnisse lassen sich sehen: 19 % mehr Frauen bewarben sich auf Managementpositionen und die Anzahl der Bewerber*innen insgesamt verdoppelte sich.

Quellen und weiterführende Links:

witty.works Blog: https://www.witty.works/de/blog/geschlechtsspezifische-formulierungen-in-stellenanzeigen-das-sagt-die-wissenschaft

Beschäftigungspotenziale von Frauen – KOFA 2019: https://www.kofa.de/media/Publikationen/Handlungsempfehlungen/Rekrutierung_Frauen.pdf

Harvard Business Manager: https://www.manager-magazin.de/harvard/fuehrung/frauen-in-fuehrungspositionen-teilzeit-stellen-beschleunigen-recruiting-a-bec511d3-0002-0001-0000-000177421303?fbclid=IwAR3bj-A2PNnVx8guLln9OjiPUbjPvYwfOkG5NkVvFu45Co5ibpBReA951XQ

impulse: https://www.impulse.de/personal/stellenanzeigen-frauen/7299405.html

iwd – Der Informationsdienstdes Instituts der deutschen Wirtschaft: https://www.iwd.de/artikel/stellenanzeigen-sechs-tipps-um-frauen-zu-gewinnen-386900/

Hogrefe eContent: https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1027/1864-9335/a000229?journalCode=zsp

Personalmarketing2null: https://personalmarketing2null.de/2022/06/14/maennlich-formulierte-stellenanzeigen/

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