Mitarbeiterbindung ist in Zeiten von sich immer weiter zuspitzendem Fachkräftemangel nicht länger die Kür – sie ist längst zur Pflicht geworden. Während sich Unternehmen dem Thema für die aktiven und neu gewonnenen Mitarbeiter*innen immer mehr annehmen, bleibt eine Gruppe in Großteilen unbeachtet: die Mütter und Väter, die den Wiedereinstieg nach der Elternzeit wagen. Onboarding für neue Mitarbeiter*innen ist heute Standard – das Reboarding nach der Elternzeit leider nicht.
Wiedereinstieg nach der Elternzeit: Reboarding ist noch kein Standard
Mitarbeiter*innen nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten, ist das Gebot der Stunde. Um Mitarbeiter von Anfang an gut an den Arbeitgeber zu binden, bauen Unternehmen Employer Brands auf und führen Strategien und Prozesse ein, die bei der Ausschreibung der vakanten Stelle beginnen und sogar noch über das Ausscheiden der Mitarbeiter*innen aus dem Unternehmen (hoffentlich erst) viele Jahre später hinausgehen. Pre- und Onboarding beispielsweise sind in den meisten Unternehmen inzwischen Standard – und Instrumente dafür, die Mitarbeiter*innen gut im Unternehmen ankommen zu lassen. Ein absoluter Pluspunkt und die Grundlage für die weitere Bindung.
Das Problem: In diesem Prozess von Stunde 0 an bis zum späteren Austritt sind in der Regel nur die Mitarbeiter*innen integriert, die im Unternehmen aktiv arbeiten. Männer und Frauen, die eine Familie gründen und Elternzeit nehmen, sind das nicht – sie sind für 1 Jahr oder länger zwar noch Teil des Unternehmens, aber sie arbeiten während dieser Zeit nicht. Im Zusammenhang mit dem Wiedereinstieg machen viele Unternehmen einen von zwei Fehlern
Fehler Nr. 1: Eltern nach der Elternzeit vergraulen
Für die Elternzeit und den Wiedereinstieg danach gibt es bei den meisten Unternehmen keine Prozesse und Strukturen. Statt einer „Willkommenskultur“ und einem Reboarding gibt es nach wie vor das Problem, dass Mütter nach der Elternzeit immer wieder feststellen müssen, dass ihre Arbeitskraft trotz Rechtsanspruch im Unternehmen nicht mehr erwünscht ist. Ein großer Fehler. Denn Unternehmen verschenken damit nicht nur langfristig wertvolle Kompetenzen und Fachkenntnisse. Sie verlieren auch an Ansehen – denn die betroffene Mutter wird ihre Erfahrung mit dem Unternehmen nicht für sich behalten. Besonders tragisch ist das, wenn man bedenkt, dass im Personalmarketing die Mitarbeiter*innen gerne auch als Botschafter*innen FÜR das Unternehmen gesehen und entwickelt werden.
Fehler Nr. 2: fehlende Begleitung beim Wiedereinstieg
Ein weiterer Fehler, den viele Unternehmen machen, ist es, zu denken, dass die betroffenen Eltern beim Wiedereinstieg keine besondere Unterstützung oder Begleitung brauchen – denn sie kennen ja das Unternehmen und den Aufgabenbereich bereits. Das ist jedoch ein Trugschluss. Denn während der Elternzeit können sich Strukturen im Unternehmen verändert, Führungskräfte gewechselt, die Teamzusammensetzung sich verändert haben. Darüber hinaus können Mütter oder Väter das Gefühl haben „raus“ zu sein aus der Arbeitswelt und ihrem Aufgabenbereich. Vielleicht gibt es auch neue Software oder die Elternzeit ging so lange (beispielsweise bei mehreren Kindern), dass sich Rahmenbedingungen im Unternehmen doch sehr verändert haben (Stichwort Digitalisierung).
Um nach der Elternzeit wieder gut in der Arbeitswelt anzukommen und Leistung zu bringen, brauchen Eltern deshalb ein gutes Reboarding.
Reboarding: Was sollten Unternehmen standardmäßig einführen?
Ein grundlegender Fahrplan fürs Reboarding kann beispielsweise folgender sein:
- Reboarding-Gespräch: Wenn möglich, 1 bis 2 Wochen vor Arbeitsantritt, ansonsten direkt zu Beginn. In diesem Gespräch kann der Arbeitgeber erfragen, wie es der Mutter oder dem Vater mit der neuen Familienkonstellation geht und was er oder sie sich für die zukünftige Arbeit im Unternehmen wünscht. Arbeitszeiten und -modalitäten wie auch flexible Arbeitszeiten oder Home Office können besprochen werden und wie genau der Arbeitgeber den Einstieg in der ersten Zeit plant.
- Info-Mappe: Der Arbeitgeber stellt der Mutter/dem Vater zu Arbeitsbeginn eine Mappe mit allen wichtigen Infos zur Verfügung, insbesondere, wenn es größere Änderungen innerhalb des Unternehmens gab.
- fachspezifische Schulung zu Arbeitsbeginn: Je nach Bedarf und Dauer der Elternzeit können und sollten Arbeitgeber dem wiederkehrenden Elternteil Gelegenheit geben, ihr Wissen aufzufrischen oder spezifische Schulungen zu machen.
- Folgegespräche: Im Abstand von einigen Wochen sollte es Folgegespräche mit dem Elternteil geben, in denen über die aktuelle Situation gesprochen wird. Ist der Elternteil gut angekommen? Was braucht es für sie oder ihn, um noch besser arbeiten zu können? Sind die Stunden zu viel oder zu wenig? Welche Herausforderungen sieht der Elternteil gerade für sich im Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie – und wie kann das Unternehmen dabei helfen?
- Coaching: Je nach Bedarf kann der Arbeitgeber auch ein Coaching spendieren, welches es der Mutter oder dem Vater erleichtern soll, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Herausforderungen, die das mit sich bringt, zu meistern.
Ist ein solcher Prozess gegeben, haben Eltern eine echte Chance, gut wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Mehr noch: Ein solcher Prozess zeigt ihnen, dass sie wertgeschätzte und wertvolle Mitarbeiter*innen sind, um die sich gekümmert wird. Das wiederum trägt langfristig dazu bei, diese Mitarbeiter*innen ans Unternehmen zu binden und deren Fachwissen, Erfahrung und Kompetenz im Unternehmen zu halten.
Wiedereinstieg nach der Elternzeit: Teilzeit als Problem oder Chance?
Eine Herausforderung, der sich Unternehmen stellen müssen, ist, dass Mütter oder Väter nach der Elternzeit oftmals „nur noch“ in Teilzeit arbeiten wollen – vor allem dann ist das eine Herausforderung, wenn sie vorher eine volle Stelle besetzt haben. Der Wiedereinstieg in Teilzeit sollte jedoch nicht als negativ oder als Problem gesehen werden, denn: Es gibt für alles eine Lösung! Mit Jobsharing-Modellen beispielsweise können Unternehmen die Produktivität sogar noch erhöhen – und auch krankheitsbedingte Ausfälle besser auffangen, die bei Mitarbeiter*innen mit Kindern leider unausweichlich sind.
Jobsharing ist zudem deshalb eine gute Variante, weil der Jobsharing-Partner schon während der Elternzeit eingestellt werden kann – er oder sie kennt dann bereits alle Abläufe, ist auf dem aktuellen Stand und kann für den wiederkehrenden Elternteil gerade in der Anfangszeit ein wertvoller Ansprechpartner sein. Zudem ermöglichen Unternehmen es so auch Führungspersonen, nach der Elternzeit weiter ihre alte Funktion als Führungskraft auszuüben – nur eben im Tandem und dadurch familienfreundlich mit weniger Stunden.
Und was ist während der Elternzeit? Kontakt halten!
Nicht zuletzt sollten Mitarbeiter*innen, die in Elternzeit gehen, nicht das Gefühl haben: Aus den Augen, aus dem Sinn. Der Arbeitgeber sollte in einem vernünftigen Rahmen Kontakt zu den frischgebackenen Eltern halten. Eine gute Möglichkeit, um die Eltern auf dem Laufenden zu halten über das, was im Unternehmen passiert, ist, den Unternehmens-Newsletter auch an die private Mailadresse zu schicken. Und auch ein persönlicher Anruf oder eine Nachricht von Zeit zu Zeit, wie z. B. zum Geburtstag, zu Weihnachten, oder auch eine Einladung zum Betriebsfest fördern die Bindung ans Unternehmen – besonders auch dann, wenn die Elternzeit länger dauert als ein Jahr. Manch ein Elternteil freut sich vielleicht sogar darüber, Weiterbildungsmöglichkeiten während der Elternzeit wahrzunehmen. Das erfahren Arbeitgeber aber nur, wenn sie in Kontakt bleiben 😉
Liebe Sabine,
endlich jemand, der das Thema auf den Punkt bringt. Wie so häufig werden vor allem Mütter in der Elternzeit gar nicht mehr wahrgenommen bzw. aus den unternehmerischen Gegebenheiten herausgehalten. Dein Artikel zeigt genau wie es anders gehen kann und sollte. Tolle Leistung. Ich hoffe, dass dein Blog viele Leser anspricht und Wirkung zeigt.
Liebe Grüsse aus dem Allgäu
Irina