Maren, 55, arbeitet als Personalreferentin im Unternehmen X. Ihre Kollegin Laura, 26, ist nach dem Studium ebenfalls als Personalreferentin eingestiegen. Beide mögen ihren Job. Maren möchte bis zur Rente bei X bleiben. Sie macht von Zeit zu Zeit auch Überstunden, wenn es sein muss – denn sie weiß, dass ihre Arbeit für X wichtig ist und sie sieht sich als eine Säule des Unternehmens. Laura hingegen legt mehr Wert auf die Einhaltung ihrer Arbeitszeiten. Und obwohl sie die Werte von X gut findet und sich im Team wohlfühlt, spielt sie jetzt schon mit dem Gedanken an einen Arbeitgeberwechsel in den nächsten 1 bis 2 Jahren. Der Unterschied zwischen den beiden: Der Grad an Identifikation mit dem Unternehmen.
Was bedeutet Identifikation mit dem Unternehmen genau und wie entsteht diese?
Identifikation mit dem Unternehmen beschreibt die Tatsache, dass eine Person ihren Arbeitgeber als Teil der eigenen Persönlichkeit integriert. In einer Studie von Zimmermann, Falkner und Müllner wird sie als etwas beschrieben, das auf unterschiedlichen Ebenen passiert: Auf kognitiver Ebene beschreibt die Identifikation mit dem Unternehmen die Tatsache, dass sich Mitarbeiter*innen als Teil dieses Unternehmens sehen. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter*innen bewerten, welche Eigenschaften dem Unternehmen von außen zugeschrieben werden und dass sie ihre Zugehörigkeit zum Unternehmen gefühlsmäßig bewerten. Zuletzt zeigt sich auch auf Verhaltensebene, wie sehr sich eine Person mit dem Unternehmen identifiziert. Bei hoher Identifikation würde sie sich beispielsweise stark für die Ziele und Werte des Unternehmens engagieren. Identifikation mit dem Arbeitgeber an sich ist damit etwas, das die Persönlichkeit der Mitarbeiter*innen prägt – und mehr als das: Es ist etwas, was sich letztlich auch im Selbstbild der Person und in ihrem Verhalten zeigt.
Dass dieses tiefe Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen in einem gesunden Rahmen positive Effekte für den Arbeitgeber hat, ist unbestritten. Neben dem höheren Engagement und der höheren Leistungsbereitschaft sind das folgende:
- Eine hohe Identifikation führt zu kooperativem Verhalten der Belegschaft.
- Sie fördert ein Handeln und Denken im Sinne der Ziele des Unternehmens.
- Sie verbessert ganz allgemein die Einstellung gegenüber dem Arbeitgeber.
- Sie verringert die Kündigungsabsicht und sorgt dadurch für weniger Fluktuation und mehr langfristige Expertise im Unternehmen.
Kein Wunder also, dass viele Unternehmen sich schon seit Jahren das Thema Mitarbeiterbindung und Stärkung der Identifikation auf die Fahnen geschrieben haben.
Was führt zur Identifikation mit dem Unternehmen?
Die Psychologie hat einige Faktoren ermittelt, die dazu führen, dass Menschen sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. Solche Faktoren sind laut Zimmermann, Falkner und Müllner beispielsweise
- die Abgrenzbarkeit zu anderen Unternehmen: Umso stärker die Unterschiede des Unternehmens zu anderen Unternehmen, umso einfacher die Identifikation.
- Persönliche Vorteile: Wie attraktiv ist es, Teil dieses Unternehmens zu sein?
- Steigerung des Selbstwertgefühls: Ist es als positiv zu bewerten, wenn man das Unternehmen in sein Selbstbild/Selbstkonzept integriert?
- Zugehörigkeit zu einer Gruppe, welche über individuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinausgeht
Immer mehr Bedeutung bei der Identifikation mit dem Unternehmen hat auch der Bereich der Werte erlangt: Vertritt das Unternehmen die gleichen oder ähnlichen Werte wie der Arbeitnehmer, kann dieser sich besser identifizieren. Oder aber er macht die Werte des Unternehmens zu seinen eigenen.
Es gibt bei dieser Definition jedoch ein Problem: Althergebrachte Maßnahmen und Methoden greifen bei der Generation Z – also der Altersgruppe der heute 16- bis 29-jährigen nicht mehr. Es wird eher eine Identifikation mit dem Job gelebt, nicht eine mit dem Unternehmen:
„Ein wichtiger Unterschied: Identifikation mit dem Arbeitgeber ist nicht dasselbe wie Identifikation mit dem Job. Letzteres ist viel häufiger, ein großer Teil der Arbeitnehmer identifiziert sich sogar sehr mit der eigenen Tätigkeit. Bei welchen Unternehmen der Job ausgeübt wird, ist hingegen nicht so wichtig.“
Zitat Karrierebibel.de
Maren als Boomerin (im Alter von ca. 55+) identifiziert sich vielleicht aufgrund des positiven Images von X mit dem Unternehmen; sie erfährt dadurch eine Aufwertung ihres Selbstwertgefühls. Sie hat die Ziele von X in ihrem Denken und Handeln verankert und sieht ihren Arbeitgeber überaus positiv. Sie ist stolz darauf, ein Teil davon zu sein. Laura hingegen findet zwar die Werte von X gut, identifiziert sich aber in erster Linie mit ihrem Job. Sie fühlt sich dem Unternehmen nicht verpflichtet – viel mehr geht es ihr um ihre persönliche Entfaltung und Karriere. Wenn sie einen besseren Job in einem anderen Unternehmen angeboten bekommt, welches ebenfalls zu ihrem persönlichen Wertegerüst passt, wird sie ohne Bedauern wechseln.
Die Herausforderung besteht nun darin, sowohl die älteren als auch die jüngeren Arbeitnehmer*innen an das Unternehmen zu binden. Denn ein erfolgreiches Unternehmen braucht beide. Wie kann der Spagat gelingen und was können Unternehmer der Gen Z bieten, um sie zu binden?
Identifikation mit dem Unternehmen bei der Gen Z: Was ist der jungen Generation wichtig?
Bei der Generation Z ist eines ganz deutlich: Sie empfinden die Identifikation mit dem Arbeitgeber nicht als so wichtig wie die Generation der Ü30-Jährigen. „Jüngere Arbeitnehmer*innen sind distanzierter. Die Trennung von der eigenen Person zum Job ist größer; sie schotten Arbeit und Privatleben stärker voneinander ab. Gleichzeitig sind sie ich-bezogener, wenn es um die Karriere geht. Experte oder Expertin auf ihrem Gebiet zu sein und gesellschaftliche Anerkennung zu erlangen, sind für sie durchaus wichtiger.“, schreibt Richard Jager, CEO von Randstad Deutschland, im New Work Trendreport 2021.
Das ist für Unternehmen, die viel daran gearbeitet haben, die Identifikation der Mitarbeiter*innen zu erhöhen, ein schwerer Schlag. Studien zeigen, dass diese Bemühungen eher bei älteren Arbeitnehmern greifen: im Alter ab 30 Jahren liegt die Identifikation mit dem Arbeitgeber bei durchschnittlich 56 %. Bei Menschen im Alter von 16 bis 29 Jahren sind es nur 34 %.
Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen wissen, was den jungen Leuten wichtig ist: Da stehen materieller Wohlstand, Stabilität und das Gefühl, gebraucht zu werden, immer noch ganz vorne. Im Gegensatz zu den älteren Arbeitnehmern wollen die jüngeren aber auch viel freie Zeit haben und sich selbst verwirklichen. Unternehmen sind nun gefordert, diesen Wünschen mit neuen Konzepten zu begegnen.
In Bezug auf die Generation Z ist es sinnvoll, nicht mehr in Kategorien der Identifikation zu denken, sondern in der Kategorie Bindung durch zukunftsorientierte Arbeitsangebote. Da spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- flexible Arbeitszeitmodelle, 4-Tage-Woche, Homeoffice und mobiles Arbeiten
- das Gehalt
- unbefristete Arbeitsverträge
- passgenaue Weiterbildung und Karriereperspektiven
- der Grad an Digitalisierung im Unternehmen
- das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens
- Nachhaltigkeit in der Unternehmenspolitik sowie ein modernes Wertegerüst, um als Arbeitgeber überhaupt attraktiv zu sein
Und was ist mit den Mitarbeiter*innen Ü30?
Obige Faktoren spielen auch für ältere Arbeitnehmer*innen eine Rolle. Dennoch ist für diese Gruppe die Identifikation mit dem Unternehmen wichtiger. Es gilt also, neben guten und passgenauen Angeboten im Bereich der Arbeitszeitgestaltung oder der sonstigen Benefits beispielsweise die Führungskultur im Unternehmen zu reflektieren und die Einbeziehung der Mitarbeiter in aktuelle Entwicklungen, Veränderungen und die Unternehmensziele transparent und aktiv zu gestalten. Wertschätzung und Sinn sind zwei wesentliche Aspekte; Mitarbeiter*innen, die innerhalb einer wertschätzenden und fördernden Kultur arbeiten, sind engagierter und motivierter. Zudem wirkt es sich positiv auf jeden Einzelnen aus, wenn er oder sie weiß, warum seine Arbeit wichtig ist und wie diese zu den Unternehmenszielen beiträgt.
Ich empfehle, eine solche Kultur unabhängig vom Altersdurchschnitt der Belegschaft einzuführen – denn die Gen Z erobert gerade erst den Arbeitsmarkt. Wir wissen heute nicht, wie es in 10 oder 15 Jahren um deren Einstellung zur Zugehörigkeit zu einem bestimmten Unternehmen steht. Und es schadet nicht, diese jetzt schon zu fördern, auch wenn sie für die Gen Z aktuell zweitrangig ist.
Für die Altersgruppe 45+ werden zudem alternative Beschäftigungsmodelle wie eine Selbstständigkeit immer wichtiger. Unternehmen, die diese Potenziale frühzeitig erkennen und ihre Arbeitnehmer*innen aktiv in der Veränderung oder dem Schritt in die Selbstständigkeit unterstützen, können noch viele Jahre von deren Know-how profitieren.
Weiterführende Links
Karrierebibel: https://karrierebibel.de/identifikation/
Deloitte Voice of Workforce Studie: https://www2.deloitte.com/de/de/pages/human-capital/articles/neue-arbeitswelt-studie.html
Randstad New Work Report 2021: https://www.randstad.de/s3fs-media/de/public/2021-10/randstad-new-work-trendreport-1.pdf