Sie häuft sich: Werbung für „Karrieremums“. Zumindest in meiner Facebook-Blase wird mir ständig irgendeine Werbung angezeigt, die Müttern weiß machen will, dass sie sich ganz leicht nebenbei ein Online-Business aufbauen und damit erfolgreich (heißt finanziell unabhängig) sein können. Das ist extrem ungesund, entspricht aber dennoch dem Zeitgeist: Mütter scheinen übermenschliche Wesen zu sein, die nicht nur Kinderbetreuung mit links erledigen, sondern auch noch erfolgreiche Unternehmerinnen werden sollen – dass Partnerschaft und Haushalt darunter nicht leiden, ist wohl selbstredend.
Wir stecken fest
Ich habe das Bild auf die heutigen Mütter bewusst etwas überspitzt gezeichnet. Ganz so schlimm ist es vielleicht doch nicht – oder? Dennoch wurde mir letztens bewusst, wie sehr auch wir Mütter in einer Leistungsspirale, einem Teufelskreis in einer leistungsorientierten Gesellschaft, gefangen sind. Es muss nicht einmal die Selbstständigkeit sein – man geht heute ganz selbstverständlich davon aus, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf super ist (was definitiv nicht stimmt. Da hat die deutsche Wirtschaft noch einen weiten Weg vor sich!). Wir Mütter können also quasi alles tun, haben und erreichen, was wir wollen:
Wiedereinstieg nach der Elternzeit – kein Problem.
Womöglich nach kurzer Zeit befördert werden? Kein Problem.
In 12 Wochen ein profitables Business aufbauen? Kein Problem.
Im Grunde könnte man es als Kompliment nehmen. Was man uns Mamas nicht alles zutraut… Von niemanden sonst wird so viel erwartet und gefordert wie von Müttern. Und dazu noch so viel Gegensätzliches. Um all diese Erwartungen zu erfüllen, müssten wir schon Superheldinnen sein.
Dass man als Mama sowohl Kinder haben als auch arbeiten kann, stelle ich dabei nicht in Frage. Mir geht es vielmehr um den Anspruch der Gesellschaft, dass wir etwas bestimmtes leisten müssen, einen bestimmten Erfolg vorweisen müssen, eine bestimmte Leistung erbringen sollen. Nicht das, was individuell in unser Leben passt, sondern das, was die Gesellschaft von uns erwartet. Wir treiben immer mehr in die Richtung, in der wir Mütter alles gleichzeitig sein müssen. Werbung und vielleicht Kommentare und Erwartungen aus unserem Umfeld üben Druck aus. Stress entsteht. Eine gestresste Mutter ist aber für niemanden gut. Wir leben also in einer zutiefst ungesunden Spirale, in der es einzig und allein darum geht, nach außen etwas beweisen zu sollen.
Jede Mutter hat das Zeug zur Karrieremum? Wir sind alle individuell!
Was im Werbungsdschungel (und meiner persönlichen Meinung nach auch in der Politik) komplett untergeht, ist, dass jeder Mensch einzigartig ist. Nicht jede Frau fühlt sich zur Mutter berufen, und genauso fühlt sich nicht jede Mutter dazu berufen, neben den Kindern auch noch Karriere zu machen. Was mir fehlt, ist eine grundsätzliche Akzeptanz und Unterstützung unterschiedlicher Lebensentwürfe. Es gibt Frauen, die wollen ganz von alleine nach einem Jahr Babypause wieder arbeiten gehen. Es gibt Frauen, deren Männer Elternzeit nehmen, damit die Frau auch mit Kindern Karriere machen kann. Es gibt Frauen, die Teilzeit arbeiten und damit völlig zufrieden sind. Und es gibt Frauen, die die ersten 3 Jahre zuhause bleiben wollen und ganz in der Mutterrolle aufgehen. Alles davon ist in Ordnung – weil die Eltern sich dafür entschieden haben und es ihr persönliches Modell ist, Familie zu leben.
Es gibt Frauen, die Beruf und Kinder scheinbar mit links unter einen Hut kriegen. Und es gibt Mütter, die sich zwischen Familie und Beruf zerreiben und irgendwann im Mütter-Burn-Out enden. Letztere machen dabei nichts falsch. Der Grund dafür ist ganz simpel: Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch geht anders mit Stress um und kann unterschiedliche Dosen Stress vertragen. Und jeder Mensch hat seine ganz individuellen Vorstellungen vom Familienleben und damit verbunden Erwartungen an sich selbst. Was für den einen funktioniert, muss noch lange nicht für den anderen funktionieren.
Das Problem: Der Absolutheitsanspruch unserer Gesellschaft. Wenn ich ein Business als Alleinerziehende mit 4 Kindern aufbauen kann (extrem gesagt), musst du als Mutter in einer heilen Familie und mit bloß (!) 2 Kindern das auch können.
Absoluter Quatsch. Niemand MUSS irgendetwas – außer die Politik vielleicht.
Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, mehr Vielfalt, mehr Unterstützung
Wenn wir davon sprechen wollen, dass irgendetwas funktionieren MUSS (also in der Regel wir Mütter), sollten wir daher zuallererst auf politischer Ebene reden. Ich will daher ein paar Forderungen aufstellen:
- Die Politik MUSS bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen. Das Thema ist zwar auf dem Schirm, aber noch weit nicht genug. Es könnte weit mehr an staatlicher Unterstützung, an Initiativen etc. geben, um Unternehmen dazu zu motivieren, ihre Unternehmenskultur entsprechend zu verändern.
- Die Politik MUSS dafür sorgen, dass Diskriminierung von Frauen und Elternteilen am Arbeitsplatz aufhört. (Wer glaubt, dass es das heute nicht mehr gibt, schaue bitte bei Initiative Chefsache mal rein oder lese das Buch Weibliches Kapital.)
- Die Politik MUSS bessere Lösungen für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit schaffen.
- Die Politik MUSS das Elterngeld von einem Jahr auf drei Jahre ausweiten.
- Die Politik MUSS realistische Lösungen dafür entwickeln, dass Alleinerziehende nicht weiter armutsgefährdet sind.
- Die Politik MUSS gegen die Altersarmut von Müttern gegensteuern.
Und nicht zuletzt: Die Politik MUSS ihren Teil dazu beitragen, dass Meinungsvielfalt und unterschiedliche Vorstellungen von Familie in den öffentlichen Medien akzeptiert und gelebt werden.
Können Feministinnen Vollzeit-Mamas sein?
Wenn ich sage, dass es auch möglich sein muss, dass Mütter die ihnen zustehenden 3 Jahre Elternzeit vollständig nehmen, und dass es völlig in Ordnung ist, wenn sie sogar länger als diese 3 Jahre zuhause bleiben und sich voll dem Nachwuchs widmen – dann habe ich häufig das Gefühl, mich als feministische und emanzipierte Frau doch auf dünnem Eis zu bewegen.
Natürlich: Wir Frauen mussten uns das Recht erkämpfen, zu wählen.
Wir mussten uns das Recht erkämpfen, zu studieren.
Wir mussten uns das Recht erkämpfen, arbeiten zu gehen, ohne dazu die Einwilligung des Ehemanns zu benötigen.
Ja, und so undenkbar es heute auch ist, bis vor nicht allzu langer Zeit war sogar Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat.
Die feministische Bewegung hat viel erreicht und das sollte nicht vergessen werden. Dennoch sollte das alles nicht dazu führen, dass Frauen, die auf Selbstbestimmung pochen, am Ende nur noch mehr in der Leistungsspirale feststecken, weil sie ja selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen wollen (als echte Feministinnen eben) und nicht von Männern abhängig sein wollen. Das ist in meinen Augen ein völlig fehlgeleiteter Feminismus.
Obwohl mir die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen ein Herzensthema ist, ist doch das Thema Selbstbestimmung das, was ganz oben stehen sollte. Und Selbstbestimmung bedeutet auch, dass ich als Mama mich frei und ohne dafür verurteilt zu werden dafür entscheiden darf, dass ich Vollzeit-Mama sein möchte. Jeder Lebensentwurf hat seine Berechtigung. Und auch die Entscheidung, in einem traditionellen Familienmodell zu leben, ist feministisch. Wenn sie bewusst getroffen wurde.
Selbstbestimmte Elternschaft leben
Du siehst, am Ende geht es mir darum, Elternschaft als selbstbestimmte Entscheidung so zu leben, wie es für dich und deine Familie richtig ist. Abseits davon, was Werbung und Gesellschaft dir suggerieren. Was für andere richtig ist, muss für dich nicht richtig sein. Weil andere Mütter vielleicht tatsächlich erfolgreiche Unternehmerinnen sind, musst du nicht auch eine werden. Weil andere Mütter den Haushalt perfekt schmeißen, parallel die Kinder bespaßen und dabei noch 20, 30 oder 40 Stunden arbeiten gehen und nie erschöpft aussehen, musst du das nicht auch schaffen.
Du bist ein einzigartiger Mensch mit einzigartigen Bedürfnissen, Begabungen und deinem intuitiven Wissen darüber, was für dich und deine Familie richtig ist.
Wir brauchen nicht noch mehr Vergleiche und Mommy-Wars. Wir brauchen stattdessen mehr gegenseitige Unterstützung und mehr Respekt vor der Entscheidung von Mamas, wie sie ihr Leben gestalten und welche Prioritäten sie setzen.
Mein persönlicher Rat und mein Anliegen ist deshalb: Löse dich von allen Erwartungen. Ignoriere die Werbung und die Mamas, die prahlen, wie einfach und super alles ist. Schau dir die Möglichkeiten an, die für dich zur Auswahl stehen und entscheide dich für das, was für dich am besten nicht. Nur für das, was du denkst, in dieser Gesellschaft sein oder tun zu müssen. Lebe selbstbestimmt deine Version von Frau, Mutter, Partnerin, Familie.